Gegen Softwarepatente!
Ihr Geschäft ist patentiert! EU-Kommission und Rat wollen noch immer grenzenlose Patentierbarkeit

E-Mail "Antwort auf Ihr Fax Softwarepatente" von Krista Sager
MdB, Fraktionsvorsitzende, Bündnis 90/Die Grünen (04/03/2005)

Betreff: Antwort auf Ihr Fax Softwarepatente
Absender: Krista Sager
An: Achim J. Latz
Datum: 04 März 2005 15:08
User-Agent: Mozilla/5.0 (Windows; U; Windows NT 5.1; en-US; rv:1.7.5) Gecko/20041217

Sehrh [sic] geehrter Herr Latz,

hiermit senden wir Ihnen eine Antwort auf Ihr Schreiben vom 23. Februar 05.

Mit freundlichen Grüßen

Ilka Dege Mitarbeiterin

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Krista Sager
Fraktionsvorsitzende
Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen Platz der Republik 1
11011 Berlin
fon 030/ 22772032
fax 030/ 22776032

Der Anhang der obigen Nachricht bestand leider aus einem MS Word Dokument, mit all den damit verbundenen Problemen. Ich habe mithilfe von OpenOffice.org daraus eine PDF-Datei krista_sager.pdf erstellt. Der Inhalt sei hier ebenfalls wiedergegeben:

Berlin, 27. April 2005

Ihr Schreiben - Keine Softwarpatente

Sehr geehrter Herr Latz,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 23. Februar 2005.
Bündnis 90/Die Grünen hat sich immer strikt gegen eine Patentierbarkeit von Software ausgesprochen. Wir sind der Auffassung, dass Software sich nicht in die gängigen Patentübereinkommen integrieren lässt.

Wir sind vielmehr überzeugt davon, dass Patente vor allem Großunternehmen nützen und kleinen und mittleren Unternehmen schaden: Denn nur größere Firmen verfügen über eigene Patent- und Rechtsabteilungen, die entsprechende Recherchen und Anmeldungen effizient abwickeln können. Die zunehmende Patentierbarkeit von Software würde dazu führen, dass der Wettbewerb um Innovationen hinter juristische Auseinandersetzungen zurückträte. Die Verbraucherinnen und Verbraucher würden ebenfalls leiden, da Software womöglich teurer und in ihrer Vielfalt eingeschränkt sein würde.

Außerdem befürchten wir negative Auswirkungen für Open-Source und freie Software, da das Patentrecht nach Geheimhaltung bis zur Patentanmeldung verlangt. Ein offener Entwicklungsprozess funktioniert jedoch mit einer solchen Geheimhaltung nicht. Open-Source-Entwickler können daher keine Patente erwerben und sind automatisch angreifbarer als große Firmen mit einem umfangreichen Patentportfolio.

Jedoch ist bereits in den letzten Jahren die Patentierbarkeit von Software durch die Praxis der Patentämter und die Rechtsprechung immer weiter ausgedehnt worden. Wünschenswert ist von unserer Seite eine Änderung und Klarstellung der derzeitigen Rechtslage, um die schleichende Ausweitung der Patentierbarkeit zu verhindern.

Wir wollen Softwareentwickler stärken, indem wir Bedingungen schaffen, die Innovation und Unternehmergeist fördern. Wir dürfen uns nicht zur Ausweitung des Patentrechts verleiten lassen und es ist sicherzustellen, dass die kreative Arbeit von Programmierern unter keinen Umständen als Patentverletzung irgendwelcher Art betrachtet wird. Software ist durch das Urheberrecht angemessen geschützt.

Momentan befindet sich eine entsprechende EU-Richtlinie zum Umgang mit Softwarepatenten im europäischen Abstimmungsprozess.

Das Europäische Parlament hat in erster Lesung eine Fassung verabschiedet, die zahlreiche Einschränkungen für das Erteilen von Softwarepatenten enthält. Es gibt also die berechtigte Hoffnung, dass Patente auf Software auch zukünftig nur sehr eingeschränkt möglich sein werden.

Dies ist insbesondere auch ein Erfolg der grünen Fraktion im Europaparlament, die Softwarepatente ebenfalls vehement ablehnt und auch gegen den Richtlinienentwurf im Parlament gestimmt hat.

Die Debatte ist aber längst nicht beendet. Inzwischen hat der EU-Wettbewerbsrat eine geänderte Fassung der Richtlinie angenommen, die Softwarepatente auf wesentlicher breiterer Basis, als ursprünglich vom Parlament beschlossen, ermöglicht. Der Ratsbeschluss ist jedoch noch nicht rechtskräftig, eine offizielle Verabschiedung auf einem Ratstreffen wurde bislang - insbesondere auf Intervention der polnischen Regierung - immer wieder verschoben.

Ob der Rat diesen gemeinsamen Standpunkt noch verabschiedet, erscheint ungewisser denn je. Inzwischen gibt es eine vom Präsidenten verkündete Aufforderung des Europäischen Parlaments an die Kommission, das gesamte Richtlinienverfahren von vorne zu beginnen. Dieser Beschluss geht auf eine Initiative der grünen Europafraktion zurück, die den Rechtausschuss des Parlamentes mit Erfolg aufgefordert hatte, einen solchen Neuanfang zu beantragen. Wir gehen davon aus, dass die Kommission nun auch entsprechend handelt.

Sollte auf einem der nächsten Ministerratstreffen die umstrittene Ratsversion dennoch abgesegnet werden, wäre als nächste Instanz dann das Europäische Parlament wieder am Zug, welches die Ratsposition mit einer absoluten Mehrheit zurückweisen müsste. Bündnis 90/ Die Grünen werden sich in diesem Zusammenhang weiter dafür einsetzen, dass sich die Abgeordneten strikt gegen eine Patentierung von Software aussprechen. Am Ende des europäischen Gesetzgebungsprozesses könnte es auch zu einem Vermittlungsverfahren zwischen Rat und Parlament kommen. Endgültig beschlossen wird die Richtlinie erst in der dritten Lesung des Parlaments, anschließend wird der Prozess zur Umwandlung in nationales Recht der Mitgliedsstaaten eingeleitet.

Es ist uns inzwischen im Deutschen Bundestag gelungen, gemeinsam mit unserem Koalitionspartner und auch den Oppositionsfraktionen in dieser wichtigen Frage einen interfraktionellen Antrag zu verfassen, der am 17. Februar vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde.

Wir fordern in dem Antrag die Bundesregierung u.a. auf, dass Computerprogramme als solche, Geschäftsmethoden und Algorithmen nicht patentiert werden können und dass alternative Entwicklungskonzepte wie Open-Source-Projekte nicht beeinträchtigt werden dürfen. Computerprogramme sollen auch zukünftig grundsätzlich allein urheberrechtlich geschützt werden. Dabei wollen wir die Zielrichtung der Beschlüsse des Europäischen Parlaments vom September 2003 und auch die zukünftigen Ergebnisse des beim Bundesjustizministeriums (BMJ) eingerichteten Runden Tisches in dieser Frage stärker berücksichtigt wissen.

Mit diesem Antrag setzen wir ein deutliches Zeichen sowohl gegenüber der Bundesregierung und dem federführenden BMJ, als auch gegenüber den Fraktionen im Europäischen Parlament. Das BMJ hat bereits angekündigt, die Position des Parlaments bei einer Wiederbefassung im Rat zu berücksichtigen. Auch das spanische und niederländische Parlament haben kürzlich ähnliche Beschlüsse gefasst.

Es gibt also noch genügend Spielraum für Veränderungen an der umstrittenen Richtlinie.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Krista Sager

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Achim J. Latz, achim@latz.cc , 13.02.2021